Im Jahr 2021 hat Deutschland Rüstungsexporte über einen Wert von rund neun Millionen Jahr genehmigt. Es steht also außer Frage, dass eine entsprechend große Industrie dahinter steht – eine Industrie, welche Mitarbeiter*innen verschiedenster Ethnizitäten und Herkünfte vereint. Dazu gehören selbstverständlich auch Angestellte mit russischen Wurzeln. Nun befinden wir uns mitten in einem Krieg zwischen der russischen Föderation und der Ukraine, Deutschland liefert Waffen an die Front und hat auch nicht vor, damit in absehbarer Zeit aufzuhören. Was bedeutet das für die russischen Angestellten in der Waffenindustrie?
Heckler & Koch versetzt sein Personal
Einer der größten Waffenhersteller hat sich entschieden, nicht nur seine russischen Mitarbeiter*innen, sondern auch die mit Wurzeln zu ehemaligen Sowjet-Staaten aus kritischen Bereichen abzuziehen. Selbstverständlich weißt Heckler & Koch jegliche Diskrimierungsvorwürfe von sich, es handle sich lediglich um eine Entscheidung im Rahmen der »Pflicht zur Fürsorge«. Wenig überraschend war die Rezeption der betroffenen Angestellten alles andere als positiv und dürfte eine Veranschaulichung eines generellen Problems in der aktuellen Situation sein: Teile der deutschen Gesellschaft stehen zunehmend negativ gegenüber ihren Mitbürger*innen mit russischen Hintergründen.
Zusammenhalt gilt es zu bewahren
Wenn man Artikel lesen muss, in denen Personen von befremdlichen Blicken berichten, die ihnen zugeworfen werden, obwohl man nur vereinzelt russisches Vokabular in ansonsten deutschen Gesprächen verwendet hat, kann man nur den Kopf schütteln. Die beschriebenen Betroffen fangen an, ihre Redearten abzuändern, kein russisch zu sprechen, einem Teil ihrer Kultur zu entsagen, alles um Konflikte zu vermeiden. Aber Konflikte häufen sich aktuell, erste Gewalttaten gegen russisch-sprachige und deren Eigentum nehmen sukzessive zu, und mit Voranschreiten des Krieges dürfte dies wohl kaum besser werden. Auch in Schulen nehmen Auseinandersetzungen mit russisch-sprachigen Kindern und Jugendlichen zu.
Unsere Gesellschaft spaltet sich selber aufgrund der Taten im Osten Europas, die aber nicht von “Russland” als ganze Nation, als Idee, als Volk begangen werden und auf keinen Fall stellvertretend bei uns im Lande bestraft werden dürfen.
Im Wunsch nach Frieden findet sich die Einheit
In einer Bremer Schule sind die weitreichenden Einschläge des Krieges deutlich spürbar. Oberstufen-Schüler sitzen zusammen, berichten von Verwandten und Freunden, die auf der einen oder anderen Seite in den Konflikt gezogen werden. Unterschiedliche Standpunkte, unterschiedliche Eindrücke, doch niemand fängt eine Diskussion, oder gar einen Streit an. Es wird sich zugehört und so wird eine ganz neue Facette des aktuellen Leidens deutlich. In diesem Krieg verlieren alle.
Leider ist dieser ruhige Austausch nicht die Norm; an anderen Stellen werden neunjährige Kinder im Alltag gefragt, auf welcher Seite im Krieg sie denn stünden, Anfeindungen nehmen zu und aktuelle Berichte pro-russischer Autokorsos in Bonn fördern nur die Bereitschaft zu Hass und Konflikt auf der Basis von Angst.
Dieser Krieg ist kein dualer Sachverhalt, es sind nicht einfach zwei ganze Länder und Landbevölkerungen im Kampf. Auf allen Seiten der Welt wird dieser Krieg geschlagen, mit Gewalt, mit Worten, mit Idealen, an anderen Stellen mit Gehör und Offenheit, zwischen allen denkbaren Konstellationen.
Wir, als Gesellschaft, als eine Gesellschaft verschiedenster Ursprünge, müssen gemeinsam daran arbeiten, alle Teile einer Gesellschaft anzuhören. Wir müssen anfangen, uns zu verstehen und nicht auseinander treiben zu lassen. Wir alle ziehen an einem Strang, denn diesen Krieg als kriegerischen Akt an sich, kann keiner befürworten. Wir sind nicht an der Front der Kämpfe, sondern an der Front der Ideale, und um daraus gestärkt hervorzugehen, müssen wir alle bereit sein, erst zuzuhören, bevor wir unsere eigene Stellungnahme verteidigen.
Wir sind eine Bevölkerung – zwar Leben wir im Land Deutschland, aber wir können uns nicht nur einfach als deutsch verstehen, wir können nicht russisch-Sprachige als Teil des “bösen Russlands” verstehen, wir müssen zeigen, dass wir alle einen gemeinsamen Wunsch haben: Ein gutes Leben; und aktuell ist der erste Schritt dahin Frieden und Zusammenhalt.
Quellen
- https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/ruestungsexporte-deutschland-rekord-ruestungsexportgesetz-101.html
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https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/deutschland-waffenlieferung-ukraine-103.html
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https://taz.de/Diskriminierung-von-russischen-Menschen/!5839133/
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https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/diskriminierung-deutsche-aus-russland-100.html
